Schleppen statt reden

Aus “Westfälische Nachrichten” vom 07.12.2016

Knecht Ruprecht spielt an der Seite des Nikolaus nur eine kleine Rolle – er darf den Sack tragen

Von Joke Brocker

WARENDORF. So ein Ruprecht ist auch nur ein Mensch und deshalb vor Erkältungen nicht gefeit. Mit Husten und Heiserkeit kommt der Helfer des Nikolaus noch zurecht. Schließlich übernimmt er keine Sprech-, sondern lediglich eine sacktragende Rolle. Richtig übel aber ist eine laufende Nase. Putzen geht nicht. Auch nicht mit von Witzbolden empfohlenen schwarzen Taschentüchern. Schon ein verstohlenes Tupfen der Nase würde das Werk der Maskenbildnerin zerstören. Während die Ankleidedamen 35 Nikolausen, die dem 1947 gegründeten Nikolaus-Collegium der Stiftsstadt Warendorf angehören, ins Ornat helfen, werden am Vorabend des Nikolaustages in der Maske wie am Fließband die Ruprechte geschminkt. Ohren, Haaransatz und Lippen inklusive. „Jetzt kann der Ruprecht nicht mehr knutschen“, lästert ein Fotograf, und die Maskenbildnerin droht dem breit grinsenden Ruprecht: „Jede Lachfalte bleibt weiß.“ Ruprecht stellt das Lachen ein, trainiert stattdessen eine rustikale Variante des Naseputzens: das Hochziehen.

Dieses soll sich, schon kurz nachdem die Nikolaus- und Ruprecht-Gespanne vom Primas des Nikolaus-Collegium in ihre Diözesen entsandt worden sind, beim ersten von zwölf Hausbesuchen bewähren.

Das Schniefen bekommt der Nikolaus, der mit Zweitnamen Ludger heißt, gar nicht mit. Er parliert mit Lea (9) und Luca (7) über Schule und Fußball. Von der vierjährigen Mia lässt er sich in die Hand versprechen, dass sie nächstes Jahr für ihn singen wird. Ganz bestimmt. Im gemütlichen Zuhause von Louis (5) und Liam (2) schwebt der Assistent des Nikolaus in Nöten, als der heilige Mann dem Adventskranz gefährlich nahe kommt. Nicht auszudenken, wenn das Gewand des Nikolaus, die „Albe“, Feuer finge. Auf die lange weihnachtliche Geschichte, die der Nikolaus nun vorliest, leicht stockend, weil er seine Lesebrille nicht dabeihat, die bei dem ewigen Rein und Raus ohnehin nur beschlüge, hat Liam gar keine Lust. Er tollt auf Mamas Schoß herum und ist froh, als der Besuch die mitgebrachten Süßigkeiten überreicht und verschwindet. Vor Davids Haustür dann eine Panne. Als der Fünfjährige öffnet, lassen Nikolaus und Ruprecht gerade ein Päckchen im Sack verschwinden, das Davids Mutter vor die Tür gelegt hatte. Der Knirps scheint das schon vergessen zu haben, als er den Besuchern beweist, dass er nicht nur bis 30, sondern sogar bis 90 zählen kann.

Kalle (7) und Frida (3), die vor allem den Ruprecht argwöhnisch beobachtet, halten für den Nikolaus eine Tüte selbst gebackener Plätzchen bereit. Während Nikolaus und Ruprecht sich imWohnzimmer aufwärmen, wartet auf einem Hof in einer Freckenhorster Bauerschaft noch eine musikalische Familie auf den Besuch. Und eine  echte Herausforderung in Form von Apfelringen, die der achtjährige Jaron mit seiner neuen Maschine aus dem Adventskalender produziert und mit denen der Ruprecht den Nikolaus zu füttern versucht. Apfelringe und Vollbärte vertragen sich nicht. Vielleicht sollte sich der Nikolaus vom Christkind einen Rasierapparat wünschen? Und der Ruprecht, auch am Nikolaustag noch nicht porentief rein, wünscht sich eine Abschminkdame.