Nikolaus ist Gladbach-Fan

Aus “Westfälische Nachrichten” vom 07.12.2015

Freckenhorst – Nikolaus Ludger ist Gladbach-Fan. Und deshalb ist ihm an diesem Samstagabend, dem Vorabend seines Namenstages, auch ziemlich egal, ob seine Ruprechte links oder rechts von ihm stehen oder sitzen. Er habe eigentlich nur einen Wunsch, sagt er, während er mit großen Schritten die Everswinkeler Straße entlanggeht: „Die Gladbacher müssen die Bayern schlagen.“ Der Wunsch ging bekanntlich in Erfüllung.

Von Joke Brocker
Noch ahnt er nicht, dass er wenig später in einem Wagen mit FC-Schalke-Aufkleber und gleich drei Schalke-Fans an Bord sitzen wird. „Kutscherin“ Andrea Althaus sympathisiert mit den Blau-Weißen, ebenso die Ruprechte auf der Rückbank, die sich an diesem Abend das „Knechten“ teilen werden.

Elf Familien in den Nachbargemeinschaften Kühl und Stadtmitte gilt es zu besuchen. Aber: Schon im zweiten Haus auf der Tour brennt kein Licht. Der Nikolaus klingelt vergebens. Eine dicke Mandarine verhindert es, die für ein kleines Mädchen vorgesehene Tüte mit den Leckereien in das Zeitungsrohr zu stopfen. Also stellt der Nikolaus sie auf der Fensterbank ab.

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Bischöfliche Roben: Freckenhorsts Nikolause haben Stil – beeindruckend. Foto: Brocker

Während Nikolaus Ludger und seine Ruprechte an diesem Abend bei den übrigen Familien freudig in festlich geschmückten Wohnzimmern in Empfang genommen werden, berichtet sein etwas deprimiert wirkender Nikolaus-Kollege Theo später beim Abendessen anderes. Oft habe er an diesem Abend vor verschlossenen Türen gestanden, sei an der Haustür oder im Hausflur abgefertigt worden. Und einmal habe ein kleines Mädchen die Tür geöffnet, das mutterseelenallein zu Hause war.

Zusammengerückt dagegen ist die Familie von Finia und Milla. Die Mädchen aus Hiltrup sind mit ihren Eltern nach Freckenhorst gekommen und verbringen den Abend im gemütlichen Wohnzimmer ihres Großvaters. Obwohl Finia nach eigenem Bekunden gerne singt, verschlägt ihr der Anblick von Nikolaus und Ruprecht zunächst die Sprache. Und dem Nikolaus seinerseits fällt nicht viel ein, als er hört, dass Finia sich vom Christkind einen Nintendo wünscht. Das habe wohl was mit Computerspielen zu tun, mutmaßt der heilige Mann: „Dafür bin ich schon zu alt.“

Ein niedliches Brüderpaar wartet auf halber Strecke nach Warendorf auf den Nikolaus. Was sie sich vom Christkind wünschen, wissen der kleine Luca und sein älterer Bruder noch nicht, aber beide wollen den Nikolaus beschenken. Und so spielt Luca, ganz versunken, auf der Mundharmonika ein Lied für den Nikolaus. Auch sein Bruder hat etwas vorbereitet, holt Flöte und Liederbuch hervor und stimmt „Ruprecht, Ruprecht“ an. Eigentlich, erklärt er ernst, habe er ja „Nikolausabend“ einstudieren wollen, aber das sei noch zu schwierig. Vielleicht spiele er das dann ja im nächsten Jahr. Die besinnliche Geschichte von den vier Kerzen, mit der sich der Nikolaus seinerseits für die freundliche Aufnahme bedankt, kennt er schon aus einer szenischen Darstellung, an der er sogar beteiligt gewesen sei.

Mit viel schwarzer Schminke wird aus dem münsterländischen Bleichgesicht ein echter Ruprecht.
Mit viel schwarzer Schminke wird aus dem münsterländischen Bleichgesicht ein echter Ruprecht.

Zurück im Auto vermeldet Fahrerin Andrea den – zumindest für Nikolaus Ludger – höchst befriedigenden Halbzeitstand im ach so wichtigen Fußballspiel.

Gut vorbereitet auf den hohen Besuch hat sich die Familie des kleinen Hector. Mama, Papa, der Zweijährige und sein erst wenige Monate altes Schwesterchen haben es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Und Hector, der den schwarzen Ruprecht etwas ängstlich beäugt, staunt, dass der Nikolaus weiß, dass er schon ohne Schnuller schläft, Wurst und Fleisch verschmäht, dafür aber Erdbeer-Pannacotta liebt. Strahlend nimmt der Knirps eine Tüte und ein zusätzliches Geschenk in Empfang – und zum Abschied drückt er Ruprecht sogar vorsichtig die Hand.

Diesen plagt inzwischen ein echtes Problem. Offenbar kündigt sich ein kleiner Schnupfen an. Die Nase läuft. Was tun? „Wir Nikolause haben das gleiche Problem. Mit dem Bart lässt sich die Nase nicht gut putzen“, hatte ihm am Nachmittag ein Nikolaus erklärt und dann schmunzelnd hinzugesetzt: „Dafür haben wir ja unsere Handschuhe.“ Der Ruprecht hat auch Handschuhe. Schwarze. In ihnen würde man die schwarze Farbe ja nicht sehen… Trotzdem greift er lieber auf das altbewährte Taschentuch zurück. Und wird um die Nase herum leider etwas weiß.

Es scheint, dass sich die „Fünfer-Bande“, die sich in einem kuscheligen Wohnzimmer versammelt hat, genau darüber amüsiert,

Der Nikolaus trägt einen (fast echten) Bart.
Der Nikolaus trägt einen (fast echten) Bart.

als der Nikolaus und sein Helfer den Raum betreten. Aber das Tuscheln hat ein Ende, als Hannah am Klavier ein Nikolaus-Lied anstimmt und der Nikolaus aus seinem roten Buch liest, was er über das Quintett auf dem Sofa zusammengetragen hat. Tolle Künstler und Sportler – Romy, die Jüngste, hat erst an diesem Samstag noch eine Medaille erturnt – sitzen da auf dem Sofa. Einige von ihnen sollen ein wenig aufbrausend sein, einer von ihnen hat einen Schuh-Tick. Der Nikolaus-Vorschlag, vielleicht etwas mehr Bescheidenheit walten zu lassen, erreicht den jungen Mann aber offenbar nicht so ganz. Was er sich zu Weihnachten wünscht? Schuhe! Was sonst?

Die Tour ist beendet, das Fußballspiel auch. Gladbach hat die Bayern geschlagen. Haushoch sogar. Das werde er feiern, kündigt der Nikolaus an. Das schwarz-gelbe „Zecken“-Bändchen um die Tüte mit selbst gebackenen Plätzchen, die ihm ein kleiner Junge soeben noch auf die Straße nachgetragen hat, hat er da noch nicht registriert. Und während des späten Abendessens im Stiftshof feiert Nikolaus Ludger dann ein wenig verhalten. Vielleicht, weil Dekan Thomas Pues mit am Tisch sitzt? Der ist bekennender Bayern-Fan.